Der Rest ist Schweigen
Es ist schon erstaunlich wie wenig die Erweiterungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften zu interessieren scheinen. Abgesehen von SVP nahen Kreisen hat sich, so muss man annehmen, kaum ein/e Politiker:in mit den Inhalten dieser Erweiterungen und der parallel dazu verlaufenden Teilrevision des Epidemiengesetzes auseinandergesetzt. Zumindest äussert sich kaum jemand dazu. Wir halten dieses durch die Untätigkeit der Medien unterstützte Schweigen auch aus demokratischer Perspektive für sehr bedenklich. Die Zusammenhänge und Inhalte der entsprechenden Dokumente sind deshalb auch kaum jemandem bekannt. Aktuell deutet nichts darauf hin, dass zu diesem Thema noch eine breite Diskussion geführt werden wird, was bedeutet, dass die Schweiz die Erweiterungen aller Wahrscheinlichkeit nach, durch einen Verzicht eines Austritts bis zum 19. Juli 2025 aus den Erweiterungen der IGV, stillschweigend akzeptieren und mit der Teilrevision des Epidemiengesetzes die verbindlichen gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen wird. Dies lässt im Hinblick auf eine allfällige neue Pandemie nichts Gutes erahnen. Dieselben Lösungsansätze zur Bewältigung der Pandemie, deren tatsächlicher Nutzen mittlerweile immerhin stark umstritten ist, sollen weiterverfolgt und ausgebaut werden. Der Pharmabranche winken dicke Profite. Dass diese Dokumente und die Intransparenz der Behörden, was das Zustandekommen und die Implementierung betreffen, kaum Kritik aus der politischen Linken provozieren, ist sehr bedauerlich und auch überraschend. Viele scheinen eine inhaltliche Auseinandersetzung als überflüssig zu erachten. Dass wahrnehmbare Kritik bisher seltsamerweise fast ausschliesslich aus der rechten politischen Ecke kommt, begünstigt in der Linken wahrscheinlich das Desinteresse. Negativ-Heuristiken, im Sinne von «wenn die SVP nein sagt, ist ja gut und umgekehrt», können politische Entscheidungen erleichtern, sollten aber Politker:innen und Bürger:innen nie von der Verantwortung entbinden, sich inhaltlich mit Sachfragen auseinanderzusetzen.
Es gibt viele gute Gründe, die Erweiterungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften aus linker und damit kapitalismuskritischer Perspektive in der vorgesehenen Form abzulehnen. Linksbündig hat mehrfach zu diesem Thema berichtet und verschiedentlich versucht, hier eine breitere Diskussion in der politischen Linken anzuregen, bisher leider ohne Erfolg.
Der Bundesrat hat inzwischen am 20.06.25 entsprechend leise und ohne grosses Tamtam beschlossen, den «Anpassungen» der Internationalen Gesundheitsvorschriften zuzustimmen. Nach wie vor wird von Regierungsseite behauptet, dass das es dazu keine gesetzlichen Anpassungen braucht. Die laufende Teilrevision des Epidemiengesetzes wird mit keinem Wort erwähnt.
Umso befremdlicher ist, dass auch die SRG ihren Auftrag nicht wahrnimmt und die Bevölkerung nur sehr unzureichend oder gar nicht über wichtige Zusammenhänge in diesem Kontext informiert. So geschehen zum Beispiel in einem Beitrag der Radiosendung «Rendez-vous» vom 16. April 2025.
Eine erste Beschwerde im Namen von Linksbündig wurde von der Ombudsstelle der SRG abgewiesen. Eine weitere Beschwerde wurde deshalb an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen weitergereicht. Wir hoffen auf einen raschen Entscheid und eine informativere Berichterstattung, auch wenn die Chancen dafür nach unserer Einschätzung eher gering sind, und dies ohnehin bereits wesentlich früher hätte passieren müssen.
Zum besseren Verständnis wird der wörtliche Inhalt der Beschwerde ans UBI hier wiedergegeben.
Ergänzungen zur Beschwerde zuhanden des UBI
Betrifft: Radiosendung «Rendez-vous» vom 16. April 2025
Wenn zum Thema Pandemievertrag der WHO informiert wird und gleichzeitig die Erweiterungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV/IHR) der WHO nicht einmal erwähnt werden, welche sehr bald für die Schweiz gelten, falls die Schweiz der WHO bis zum 19. Juli 2025 nicht einen Austritt aus diesen Erweiterungen kommuniziert, ist dies nicht nachvollziehbar. Viel Zeit für eine gesellschaftliche Auseinandersetzung bleibt nicht mehr.
Ebenso unverständlich ist es, dass in diesem Radiobeitrag der Zusammenhang mit der laufenden Teilrevision des Epidemiengesetzes nicht aufgezeigt wird. Diese Teilrevision wird lediglich von einem SVP-Mann erwähnt, der abgesehen von einem Politiker der Grünen auch kurz Stellung bezieht. Hier gibt es massiven zusätzlichen Erklärungsbedarf, den SRG nicht leistet. Warum ist nicht klar!
Auf diese Zusammenhänge hinzuweisen wäre innerhalb der zur Verfügung stehenden Sendezeit durchaus möglich gewesen. Der Beitrag auf «Rendez-vous» hinterlässt den Eindruck, dass die Inhalte dieser Dokumente und deren Zusammenhang der Redaktion selbst nur unvollständig oder gar nicht bekannt sind. Falls sie bekannt sind, ist deren Verschweigen noch unverständlicher.
Einen kritischen Diskurs zu diesem Thema gibt es leider in der Schweiz nicht, auch wenn dies in der Antwort der Ombudsstelle der SRG suggeriert wird. Die Wortmeldung von einem SVP-Exponenten, in der durch den Radiobeitrag vermittelten Form, kann ohne Einordnung und Darstellung der tatsächlichen Zusammenhänge nicht als Beleg für einen kritischen Diskurs wahrgenommen werden. Diesen gibt es so nicht. Die Berichterstattung zu diesem Thema war in der Schweiz bisher so unzureichend, dass keineswegs von einem öffentlichen Bewusstsein für diese Sachverhalte ausgegangen werden kann.
Dass über die Teilrevision des Epidemiengesetzes noch berichtet werden wird, entschuldigt nicht, dass fundamentale Zusammenhänge zwischen Pandemievertrag, Erweiterungen der IGV und der Teilrevision des Epidemiengesetzes nicht verständlich gemacht werden. Insbesondere weil die Erweiterungen der IGV durch die Teilrevision des Epidemiengesetzes bei gleichzeitigem nicht Wahrnehmen der Opting-out-Option aus den Erweiterungen, sehr bald rechtliche Geltung erlangen werden.
Beide Dokumente haben inhaltlich starke Überschneidungen. Sie enthalten viele ähnliche Empfehlungen betreffend die Vorbereitungen auf Pandemien. Für diese werden durch die laufende Teilrevision des Epidemiengesetzes aktuell die gesetzlichen Grundlagen geschaffen. Gleichzeitig wurde aber von Behördenseite wie auch dem BAG behauptet, es brauche für die Umsetzung der Erweiterungen der IGV keine gesetzlichen Anpassungen, was aber so nicht stimmt, da diese ja eben gerade mit der Teilrevision des Epidemiengesetzes geschaffen werden. Leider wird dies der Öffentlichkeit vom Bundesrat, dem BAG, von politischen Mandatsträger:innen und Journalist:innen bisher so nicht kommuniziert. Dies scheint auch weiterhin nicht beabsichtigt. Es macht fast den Eindruck, als ob man eine breitere Diskussion möglichst verhindern will. Der konkrete Inhalt der Erweiterungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften scheint niemanden zu interessieren. Es gibt dazu auch fast keine, und wenn dann nur sehr oberflächliche mediale Berichterstattung. Es fehlt hier eindeutig an Transparenz. Die relevanten Inhalte und Zusammenhänge sind deswegen auch nur wenigen bekannt. Dies ist aus demokratischer Sicht sehr bedenklich. Umso notwendiger wäre hier eine fundierte journalistische Berichterstattung!
Es ist völlig unverständlich, weshalb es hier kaum journalistisches Interesse und auch sehr wenig Interesse von Politiker:innen, abgesehen von solchen aus der SVP, gibt. Dabei gäbe es auch aus linker Sicht sehr gute Gründe, diese Dokumente und auch die politische Intransparenz zu kritisieren, die deren Zustandekommen und deren voraussichtlich stillschweigende Implementierung begleiten.
Der Pandemievertrag und die Erweiterungen der IGV ergänzen und überschneiden sich in vielerlei Hinsicht. Es wird darin eine Massnahmenpolitik weiterentwickelt, deren Nutzen bisher nicht wirklich evaluiert wurde. Es gibt mittlerweile viele Gründe, den Nutzen einiger Massnahmen für die Gesundheit in Frage zu stellen. Viele Dinge haben sich als nutzlos und schädlich erwiesen. Insgesamt konnte nicht belegt werden, dass die Nebenwirkungen der Massnahmen kleiner als deren Nutzen waren. Einiges deutet auf das Gegenteil hin. Leider ist auch in diesem Bereich das journalistische Interesse nach wie vor eher gering.
Es fällt auch auf, dass die Pharmalobby bei der Ausformulierung der Erweiterungen der IGV einen wichtigen Einfluss hatte. Insgesamt scheint bei diesen Dokumenten nicht die Gesundheit der Bevölkerung, sondern das Profitinteresse pharmanaher Interessengruppen im Vordergrund zu stehen. Bevorzugt werden gewinnbringende pharmazeutische Ansätze, deren Nutzen zur Bewältigung einer Pandemie aufgrund der gemachten Erfahrungen eher unsicher ist. Der linke massnahmenkritische Verein Linksbündig hat darüber mehrmals berichtet*.
Auch in der Vernehmlassungsantwort zur Teilrevision des Epidemiengesetzes von Linksbündig wird ersichtlich, welcher Zusammenhang mit den IGV besteht und welcher gesundheitliche Ansatz dadurch mit der Teilrevision des Epidemiengesetzes verfolgt wird. Bisher gelang es jedoch nicht, eine breite inhaltliche Auseinandersetzung in der politischen Linken anzustossen.
Die Erweiterungen der IGV gelten voraussichtlich bald für die Schweiz. Der Pandemievertrag, falls ihn genügend Staaten ratifizieren, erst wesentlich später. Viele Dinge werden, sobald sie über die Teilrevision des Epidemiengesetzes für uns Gesetzeskraft haben, auch ohne allfällige Ergänzungen durch den Pandemievertrag im Falle einer neuen Pandemie in der Schweiz umgesetzt werden.
Wer sich mit der Teilrevision des Epidemiengesetzes auseinandersetzt, sieht, dass die vorgesehenen Änderungen sehr wohl etwas mit dem Inhalt der Erweiterungen der IGV zu tun haben. Diese Informationen wurden der Öffentlichkeit bisher so nicht kommuniziert. Es ist mehr als schade, dass die SRG hier wichtige Zusammenhänge nicht wahrnimmt und aufzeigt und dadurch die Stimmbürger:innen nicht adäquat informiert. Es geht dabei um für das Gemeinwohl relevante Entscheidungen.
Wäre es deshalb nicht wichtig in einem Beitrag zum Pandemievertrag, auch die Erweiterungen der IGV wie auch die Teilrevision des Epidemiengesetzes zu erwähnen? Ist es zulässig über dieses Thema unter derartigen Auslassungen zu berichten?
Ich würde mir eine ausführlichere Berichterstattung zu diesem Thema wünschen, und halte es nach wie vor für eine wichtige Aufgabe der SRG, dies zu tun. Ich hoffe, Sie prüfen diesen Sachverhalt und setzen sich auch inhaltlich mit den Erweiterungen der IGV und der Teilrevision des Epidemiengesetzes auseinander. Dass hier so lange keine journalistische Arbeit gemacht wurde, verunmöglicht eine echte gesellschaftliche Debatte, da die breite Bevölkerung schlicht und einfach nicht mit den notwendigen Informationen versorgt wurde.
Vielen Dank für ihr Verständnis! Ich hoffe hier auf weitere Berichterstattungen!
Freundliche Grüsse
Christian Baur
Vorstandsmitglied bei Linksbündig
PS: Dank genügender gültiger Unterschriften in sehr kurzer Zeit zum Zwecke der Umwandlung in eine Popularbeschwerde, hoffen wir nun auf eine rasche Bearbeitung durch das UBI!
* Berichterstattung zum Thema von Linksbündig:
Ein drohender Selbstlauf durch die neuen Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) in der Schweiz — Linksbündig
Big Pharma out of WHO! — Linksbündig
Der Machtrausch der WHO — Linksbündig
Änderungen der internationalen Gesundheitsvorschriften — Linksbündig