Klima

Linksbündig wurde im Vorfeld der Klimaschutzabstimmung vom 18. Juni 2023 von verschiedenen Seiten angefragt, welche Position wir betreffend des Klimaschutzes einnehmen. Im Vorstand war nach einer längeren Diskussion eine Mehrheit für eine Ablehnung dieser Vorlage. Aus welchen Gründen und Gedankengängen wollen wir in diesem Text klarlegen.

Vorneweg das Positive: Wir interpretieren das Abstimmungsergebnis als Bekenntnis einer Mehrheit der zur Stimmabgabe zugelassenen Bevölkerung in der Schweiz zu einer die Umwelt und natürlichen Ressourcen schonenden Lebensweise. Das begrüssen wir natürlich sehr.

Ob nun die Ziele, in dieser als Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative formulierten Vorlage, tatsächlich mehr Umweltschutz bringen werden, wird sich erst in der Umsetzung zeigen. Wir wollen an diesem Punkt keine Diskussion über das „tatsächliche“ Ausmass der Klimaerwärmung führen. Aus dem einfachen Grund: wir wissen es nicht.

Was wir aber wissen und was klar erkennbar ist: Die Debatte zum Thema wird analog zur Pandemie-Massnahmendiskussion extrem einseitig geführt. Abweichende Positionen und besonnene Stimmen aus der „Wissenschaft“ werden diskreditiert, es wird ein moralischer Druck aufgebaut und erneut medial massiv Angst geschürt.

Aus Sicht von Linksbündig ist vor allem die absolut einseitige Fokussierung auf den CO2-Austoss problematisch. Andere Umweltprobleme scheinen nicht mehr zu existieren. Warum diese Fokussierung so radikal vorangetrieben wird und wer von dieser Fokussierung sowie den vorgeschlagenen Gegenmassnahmen profitiert, dies scheinen uns die zentralen Fragen in der Debatte um die Klimaerwärmung zu sein.

Für den „klimaverträglichen“ Umbau der kapitalistischen Massenproduktion stehen unterdessen verschiedene neue Technologien bereit. Neben erneuerbarer Energieproduktion und Elektrifizierung des Verkehrs sollen auch künstliche CO2-Senken geschaffen werden. Mithilfe der Klimaschutzvorgaben wird der Umweltschutzgedanke in die kapitalistische Produktionsweise integriert und so die grünen Ideen der Umweltschutzbewegung vermarktet. Letztendlich sollen mithilfe moralischen Drucks neue Produkte und Technologien verkauft werden.

Business as usual also, wenn da nicht die eklatante Verteuerung der so produzierten Produkte wäre. Oder aus anderer Sicht: die Gewinnmarge des Kapitals verkleinert sich durch den erhöhten Kapitalbedarf. Die Mehrkosten werden auf die Masse der Verbraucher abgewälzt. CO2- Zertifikatshandel ermöglicht die Finanzialisierung dieser Entwicklung. Die Gewinne der Konzerne und Kapitaleigner werden dabei nicht in Frage gestellt.

Die kapitalistische Wirtschaftsweise hat mit ihrer Wachstumsdynamik und ihrem ausbeuterischen Verhältnis gegenüber der Natur überhaupt erst zur heutigen Massen- und Überflussproduktion und ihren katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt geführt. Die nun angestrebte Reformierung der Produktionsbedingungen will dieses ausbeuterische Verhältnis nicht verändern. Ganz im Gegenteil, wir verstehen die Integration des Umweltschutzgedanken in die kapitalistische Verwertung als Versuch, die bestehenden Ausbeutungsverhältnisse aufrecht zu erhalten und einen neuen Innovationszyklus zu realisieren.

Kehren wir zurück zum anfangs erwähnten Klimaschutzgesetz, oder besser Innovationsgesetz wie es vom Bund selbst genannt wird. Aus der ursprünglichen Gletscherinitiative sind die Forderung nach Verbot des Zertifikatshandel und die Vorgabe der „Sozialverträglichkeit“ der Klima-Massnahmen gestrichen worden. Die Forderung nach strenger Regulierung der aus der Schweiz operierenden Finanzströme wurde auf die Formulierung „Der Bundesrat kann entsprechende Massnahmen ergreifen.“ reduziert. Das Paket wurde also stark auf die Bedürfnisse von Kapital und Wirtschaft angepasst.

Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft, welche den Verschleiss natürlicher Rohstoffe minimiert und wieder verwendet, ist eine Umstellung der Energiegewinnung auf „erneuerbare“ Ressourcen natürlich absolut unterstützungswürdig. Das ausbeuterische Verhältnis gegenüber der Natur wird sich damit aber nicht verändern und einfach von fossilen Rohstoffen auf andere Rohstoffe wie seltene Erden verlagern.

Bei den geplanten Massnahmen sticht vor allem der Auf- und Ausbau einer künstlichen CO2- Senke mittels Absorption des emittierten CO2 ins Auge. Dabei soll das CO2 direkt beim Ausgangsort (bei den Zementwerken, Müllverbrennungsanlagen, etc.) absorbiert, verflüssigt und nach Island zur unterirdischen Endlagerung transportiert werden. Eine entsprechende Infrastruktur befindet sich im Aufbau und ist nun dank der Klimainnovationen finanzierbar. Es wird also zusätzliche Energie und Ressourcen verbraucht, statt diese einzusparen. Eine klimawirksame Evidenz dieser Massnahme ist mit Blick auf die globale Situation auch mit allerbestem Willen nicht zu erkennen.

Mithilfe international gehandelter CO2-Zertifikate kann in den Zentren der übermässige Ressourcenverbrauch weiterhin aufrechterhalten werden, postkoloniale Machtverhältnisse in der Peripherie werden damit zementiert. Es handelt sich in der Tat um einen modernen „Ablasshandel“, das schlechte Gewissen der Besitzenden ist ja angesichts der herrschenden Verhältnisse mehr als gerechtfertigt. Auch CO2-Zertifikate haben keine Evidenz und verlagern das Problem einer Verminderung des Ressourcenverbrauchs lediglich in die Zukunft und an kommende Generationen.

Was wäre also zu tun? Welche realpolitischen Forderungen können wir aus linker Perspektive unterstützen, welche lehnen wir ab?

Eine Reduktion von Treibhausgasen liegt unseres Erachtens hauptsächlich in der Verantwortung der Konzerne. Es kann nicht sein, dass Verzicht gefordert wird, solange der Kapitalismus falsche Bedürfnisse generiert und uns bestimmte Konsumverhalten aufzwingt. Die steigenden Kosten durch die Klima-Massnahmen werden nun aber nur scheinbar gleichmässig auf die Allgemeinheit abgewälzt. Proportional wird der Verzicht bei den einkommensschwachen Schichten und armen Ländern eingefordert. Der Ressourcenverschleiss müsste also mit einer Besteuerung von Reichtum und Luxus eingeschränkt und der grüne Umbau über die Gewinne der daran profitierenden Konzerne und Kapitaleigner finanziert werden. Die Grundbedürfnisse jedes Einzelnen dürfen sich nicht verteuern. „Klimagerechtigkeit“ ist letzten Endes eine Frage des Klassenkampfes.

Ob grosse Solarprojekte in den Walliser Bergen, Tiefengeothermie-Projekt im Jura oder Verteilung von Fördergeldern für erneuerbare Energie nur noch an effiziente Grossprojekte: In den nächsten Jahren stehen zahlreiche Entscheidungen um das richtige „Wie“ in der Energieproduktion an. Es gilt die daraus entstehenden Kämpfe mit den Kämpfen um soziale Gerechtigkeit zu verbinden. Und zu prüfen wie stark sie zu einem wirklichen Schutz der Umwelt und Natur im Widerspruch stehen. Wälder abzuholzen, um dort Windkraftwerke aufzustellen zum Beispiel.

Analog zur Corona-Geschichte gilt es das Problem und die vorgeschlagenen Massnahmen auseinanderzuhalten. Das hiesse die Alternativlosigkeit dieser Massnahmen in Frage zu stellen. Statt energiefressende Grossprojekte zur künstlichen CO2-Abschöpfung würde durch die Umstellung auf eine humusbildende, regenerative Landwirtschaft eine neue CO2-Senke entstehen. Eine Massnahme voll und ganz im Einklang mit Natur und Umwelt und einem weltweiten Potential von der Grösse der gesamten bis anhin von Menschen emittierten CO2-Mengen. Dies ist leider nicht profitsteigernd umzusetzen.

Kreislaufwirtschaft bedeutet auch langlebige Produkte zu produzieren. Ebenfalls eine durch und durch antikapitalistische Forderung. Letztendlich muss die Gesamtgesellschaft diskutieren, welche Bedürfnisse sie hat und befriedigen will. Und die eigenen Bedürfnisse von denen des Kapitals zu unterscheiden lernen.

Linksbündig spricht in seinem Untertitel von totalitären Tendenzen des Neoliberalismus. Im Neoliberalismus ist jede und jeder seines Glückes eigener Schmied. Der Einfluss struktureller Benachteiligung und systemischer Ungleichheit werden negiert und Erfolg und Zufriedenheit auf die individuelle Leistungsfähigkeit reduziert. Erst diese Vereinzelung und psychische Verfassung der Gesellschaft macht Eingriffe wie während der staatlichen Corona-Massnahmen überhaupt durchsetzbar. Die alternativlose Lösung für die von den Medien gehypte „Klimakrise“ und Weltuntergangsstimmung wird auf das moralisch richtige individuelle Verhalten reduziert. Nur so können offensichtlich evidenzlose Massnahmen scheinbar mehrheitsfähig gemacht werden, Massnahmen, welche die soziale Ungleichheit fördern und die Profitabschöpfung der besitzenden Klasse sichern. Die gesellschaftliche Wirkung ist eine Spaltung und Aushebelung demokratischer Prozesse.

Weniger CO2 – wer bezahlt die Massnahmen?

Klimaschutz versus Umweltschutz