In seinem Vortrag bedient sich Fabio Vighi Jacques Lacans Begriff der „Erfolgreichen Paranoia“. Damit bezeichnet der französische Psychoanalytiker einen psychischen Mechanismus, dem es dank eines wahnähnlichen Zustandes gelingt, „bei Verstand“ zu bleiben. Vighi überträgt dies auf unsere Gegenwart: Obwohl unsere heutige Welt von einer wahnhaften Ersatzrealität strukturiert wird, scheinen die sich darin bewegenden Subjekt scheinbar normal zu funktionieren. Mit diesem Wahn meint Vighi den kollektiven Glauben – ein gesellschaftlich sanktioniertes, kollektives Wahngebilde –, dass die zu Ende gehende kapitalistische Produktionsweise gesellschaftlichen Reichtum auch in Clouds, Plattformen, Finanzmärkten und Algorithmen erschaffen kann. Dieses luftige Reich führt aber nicht zu Wohlstand, sondern zu Krisen. Der Wahn indes muss aufrechterhalten bleiben, und damit auch die Krisendynamik. Es ist diese Krisendynamik insbesondere des Finanzsektors, die die heutige Politik vor sich hertreibt, indem sie sie zwingt, immer neue Notlagen und scheinbare „Lösungen“ zu erfinden. Neuestens im Ausblick auf eine in Europa geradezu enthusiastisch willkommen geheissene Kriegswirtschaft, die uns definitiv in die Barbarei führen wird. Der Wahn ist der Versuch, den ökonomisch-systemischen Kollaps mit „Sinn“ zu stopfen. So bringt Vighi Psychoanalyse und Politische Ökonomie zusammen.
Der Vortrag wird simultanübersetzt. Am Abend kann Fabio Vighis kürzlich auf Deutsch erschienenes Buch (engl. Orig. Unworkable. Delusions of an imploding civilisation) bezogen werden.